Vermouth – nicht nur als Aperitif ein Genuss
Der Verlauf der Menschheitsgeschichte offenbart schon sehr früh das Interesse an alkoholischen Getränken. Bereits vor tausenden Jahren entdeckten unterschiedliche Zivilisationen, dass der Genuss „schlecht“ gewordener Lebensmittel, einen besonderen Effekt auf den Allgemeinzustand hatten. Doch wie funktioniert das? In der Luft vorkommende Pilzsporen (Hefe) verwandeln Zucker und Stärke von Früchten und Getreide in Alkohol. Selbst Tiere wissen das schon und verspeisen ganz gezielt derart vergorene Lebensmittel. Die moderne Archäologie belegt beispielsweise, dass bereits vor ca. 9000 Jahren aus Reis, Honig und Obst, alkoholische Getränke in China hergestellt und unter anderem als Grabbeigaben verwendet wurden. Man muss aber gar nicht so weit zurückgehen. Griechen und Römer hatten bereits eine weit entwickelte Weinkultur und wussten gleichzeitig um die Heilkraft der Kräuter. So beschrieb Plinius im Jahr 77 die wohltuende Wirkung eines Wermutweins in seinem Werk Naturalis Historia. Im frühen Mittelalter bestätigte Hildegard von Biengen die Wirkung von Wermut. Zu dieser Zeit kommen unterschiedliche Entwicklungen zusammen. In Klöstern widmet man sich der Herstellung von Medizin, aber auch der Buchdruck. Auf diese Weise verbreiteten sich Rezepte und damit auch Produkte auf bisher ungeahnte Art und Weise. Was zunächst als Medizin galt wurde bald zu einem populären Getränk. Einerseits ermöglichten technische Entwicklungen, wie ein Stoffsack für die Kräuter, die in Wein eingelegt wurden, eine Produktionssteigerung, anderseits wurden auch vielfältige Rezepte ganz unterschiedlicher Ausprägungen entwickelt. Ein Überbleibsel ist der auch heute noch im Winter populäre Glühwein!
Im Mittelalter kommt eine ganz entscheidende Erkenntnis dazu, die man einer Technik aus dem Orient verdankt – der Destillation. Gibt man etwas hochprozentigen Alkohol zu einem gärenden Wein, wird dessen Gärung gestoppt, da der hochprozentige Alkohol, die Hefekulturen zerstört. Auf exakt diese Art wird heute noch in Frankreich eine Vielzahl von Aperitifs, wie beispielsweise die Floc de Gascogne, Macvin oder Ratafia hergestellt. Viel bekannter sind natürlich Marsala, Port und Sherry.
Alessio di Piemonte veröffentlichte 1555 ein Werk, das sich mit der gerade beschriebenen Produktionstechnik befasste. Im mittelalterlichen Florenz wurde es schnell populär und fand seinen Weg nach Savoyen, wo man auf eine Vielzahl an aromatischen Bergkräutern zurückgreifen konnte. Exotische Kräuter kamen über den Hafen von Genua und passende Weintrauben gediehen ebenso. In Turin entwickelte sich eine frühe Aperitivo Kultur, wie man sie auch heute noch in Italien pflegt.
Vermouth, wie wir ihn heute kennen, wurde in den 1780er Jahren in Turin von Antonio Benedetto Carpano entwickelt. Auch bei Hofe war der neue Wermutwein sehr populär. Ein Vorteil der den kommerziellen Erfolg beflügelte. Auf den Vorreiter Carpano folgten Cinzano und Martini & Rossi, die aus der kleinen, artisanalen Produktion eine Großindustrie machten.
Bei der Firma Noilly (heute bekannt unter Noilly Prat) begegnen sich ab 1813 Wermutwein (Vermouth) und Wermutschnaps (Absinthe) in Frankreich. Die Rezeptur basiert auf französischen Weinen und Kräutern aus den Savoyer Alpen. Die Produktion findet an der französischen Mittelmeerküste zunächst in einem kleinen Städtchen namens Marseillan, später in Marseille statt. Ein weiteres Lager existiert in Lyon. Der Erfolg ist international – in dritter Generation beliefert man bereits Kunden in 130 Länder!
Genau dieser Internationalisierung verdankt der Vermouth seinen nachhaltigen Erfolg. Denn findige Bartender hatten damit eine unglaublich vielseitig einsetzbare Zutat für Cocktails. Martini, Manhatten, Old Fashioned, Negroni, Americano oder Martinez sind nur eine kleine Auswahl.